Volker Reinhardt: Montaigne. Philosophie in Zeiten des Krieges

Wer hier schon länger mitliest, weiß, dass Montaigne für mich einer der faszinierendsten Persönlichkeiten ist, weil man bei der Lektüre seiner Essais den Eindruck gewinnt, als sei er geistig so universell, dass er von soziohistorischen Kontexten nicht eingeschränkt wird. Das ist einerseits richtig, wenn man seine unglaublich modernen Meinungen etwa zu den eben entdeckten indigenen Völkern liest. Andererseits war Montaigne selbstverständlich eng in seine Zeit eingebettet, und es ist diese Seite auf die Volker Reinhards neue Biographie den Schwerpunkt legt. Man erfährt jede Menge über das Frankreich des 16. Jahrhunderts und speziell auch über den Religionskrieg dort.

Angesichts der Polarisierung drängen sich Parallelen zur Gegenwart auf. Montaigne versucht immer wieder einmal einen Ausgleich zwischen beiden Seiten zu finden, und wird dann von beiden Seiten heftig angefeindet. Da sind ähnliche soziopsychologische Mechanismen am Werk wie heute auf Social Media und man erkennt, dass wir es hier mit zumindest teilweise universellem menschlichen Verhalten zu tun haben.

Reinhardt geht selbstverständlich auch ausführlich auf die Essais sein, das ist aber nicht sein Hauptschwerpunkt. Ihm gelingt es gut, die wichtigsten Aspekte herauszuarbeiten, die rhetorische „Anti-Zensur-Strategie“ des Autors zu entschlüsseln, und das alles ohne irgendwelche hermeneutischen Exzesse zu begehen. Das liest sich alles angenehm klug und unprätentiös.

Ein weiterer Schwerpunkt sind die Reisen Montaignes, u.a. nach Italien, und selbstverständlich auch seine politische Arbeit als Bürgermeister von Bordeaux. Reinhardt ist kein Montaigne-Spezialist, aber das stellt sich angesichts dieser rund um gelungenen Biographie mehr als Vorteil denn als Nachteil heraus.

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