Toni Erdmann

Filmcasino 16.7. 2016

D/Ö 2016

Regie: Maren Ade

Es ist immer ein Indiz für gelungene Kunst, wenn sie intelligent Konventionen verletzt. Diese Abweichung von unterschiedlichsten Normen ist seit der Antike beobachtbar. Für Toni Erdmann trifft das ebenfalls zu, denn er ignoriert intelligent eine Reihe von Konventionen der Filmkunst. Das fängt bereits sachte mit der für eine Komödie ungewöhnlichen Überlänge an (162 Minuten) und hört bei den Genrekonventionen noch lange nicht auf. Selten sieht man einen Film, der knallharten Realismus mit surrealer Groteske so kreativ kombiniert und gleichzeitig auch noch jede Menge Denkanstöße darüber gibt, wie wir im Jahr 2016 leben.

Winfried, pensionierter Musiklehrer (ein grandioser Peter Simonischek) mit einem schrägen Sinn für Humor, besucht überraschend seine Tochter Ines (eine grandiose Sandra Hüller) in Bukarest, eine Karrierefrau, die als Consultant an der Umstrukturierung einer rumänischen Ölfirma arbeitet, mit den üblichen unerfreulichen Folgen eines Outsourcings. Ihr erfolgreiches Leben enttarnt sich dabei als eine Folge von Selbstquälereien aus Karrieregründen. Die Expat-Szene ist soziokulturell hervorragend getroffen, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Auch ich stand schon am Fenster eines Businesshotels mit Blick auf ein Romaslum direkt darunter. Ins Groteske und Surreale kippt der Film, wenn Winfried skurril als Toni Erdmann verkleidet überraschend wieder auftaucht, und das Leben seiner Tochter auf den Kopf stellt, indem er sich einmal als Geschäftsmann und Coach, ein anderes Mal als der deutsche Botschafter ausgibt.

Alles an dem Film ist außergewöhnlich und irritierend. Wie das bei gelungener Kunst üblich ist.

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