Aurelius Augustinus: Vom Gottesstaat (13)

Buch 19 dtv-bibliothek

Das neunzehnte Buch beginnt mit einem fulminanten Auftakt, nämlich einer Kombination aus Analyse und Rhetorik. Ziel des Augustinus‘ ist es, die angeblich widerspruchsfreie Wahrheit des Christentums dem philosophischen Pluralismus gegenüberzustellen. Ausgangspunkt ist einmal mehr eine Überblicksdarstellung des Varro‘. Augustinus liest, rechnet und kommt zu dem (gar nicht so unplausiblen) Ergebnis, dass es 288 verschiedene Lehrmeinungen darüber gäbe, was denn unter dem „höchsten Gut“ zu verstehen sei.

Rhetorisch geschickt stellt der Philosoph diesem Meinungsspektrum die These gegenüber, dass es in diesem armseligen Leben überhaupt kein höchstes Gut geben könne:

Der Schmerz widerstreitet der Lust, die Unruhe der Ruhe; aber gibt es einen Schmerz, eine Unruhe, die den Leib des Weisen nicht befallen könnte? Verlust und Schwächung der Glieder zerstört des Menschen Unversehrtheit, Entstellung seiner Schönheit, Siechtum seiner Gesundheit, Mattigkeit seiner Kraft, Steifheit oder Lähmung seiner Beweglichkeit; und was von alledem könnte nicht auch über des Weisen Leiblichkeit hereinbrechen? […] Was dann, wenn das Rückgrat sich so krümmt, daß die Hände den Boden berühren und der Mensch sozusagen zum Vierfüßler wird? […] Was bleibt denn von der Sinneswahrnehmung übrig, wenn der Mensch, um von den anderen Sinnen zu schweigen, taub wird und blind? Die Vernunft aber und das Erkenntnisvermögen, wohin entweichen, wo schlummern sie, wenn infolge einer Erkrankung der Geist sich verwirrt? [S. 529f.]

Nun kommt Augustinus richtig in Fahrt und beschreibt systematisch das Elend des Lebens. Die Übel der menschlichen Gemeinschaft, die Probleme der Rechtssprechung und schließlich den Krieg:

Denn abgesehen davon, dass es auch jetzt noch auswärtige feindliche Völker gab und gibt, gegen welche immerfort Kriege geführt wurden und geführt werden, hat gerade die Größe des Reiches Kriege schlimmerer Art entfesselt, Bundesgenossen- und Bürgerkriege, von den das Menschengeschlecht noch jämmerlicher gepeinigt wird […] Wollte ich das vielfältige Unheil, all die drängenden und drückenden Notstände im Gefolge dieser Übel so schildern, wie sie es verdienen, wozu ich freilich völlig außer stande bin, wie würde ich damit je zu Ende kommen? [S. 541]

Hat man Freunde, ändert das nichts am Elend, ganz im Gegenteil:

Doch je mehr Freunde wir haben und auf je mehr Orte sie sich verteilen, um so mehr bedrängt und auch die Furcht, es möge ihnen von der aufgehäuften Masse an Übeln dieser Welt etwas Übles zustoßen. Wir sind ja nicht nur darum besorgt, daß sie von Hunger, Kriegsnot, Krankheit und Gefangenschaft betroffen werden […] sondern auch […] sie könnten untreu, schlecht und nichtsnutzig werden. [S. 542]

Dieser literarisch gelungenen Elendsdarstellung folgt die Darstellung der Vorzüge des ewigen Lebens.

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