Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Hölle

Manesse Hardcover 2006 (Amazon Partnerlink)

Als Leseausgabe verwende ich die schöne bibliophile Ausgabe von Faber & Faber. Drei schön gestaltete, großformatige Bände mit Illustrationen Monika Beisners. Die Übersetzung Karl Vosslers ist ausgezeichnet lesbar. Anmerkungen und Erläuterungen sind hilfreich am Rande des Lesetextes untergebracht. Kurz: eine der beeindrucksten Klassikereditionen der letzten Jahre.

Sich Dantes Welt zu nähern bedarf einer gewissen Umsicht. Einige antike Autoren (Vergil, Ovid) sollte man präsent haben, die Bibel ebenso. Mit dem Mittelalter auf guten Fuß zu stehen, schadet naturgemäß nichts, wobei hier Schwerpunkte auf Theologie und die Geschichte Italiens (Florenz!) zu empfehlen wären. Eine Menge an Voraussetzungen sollte man also mit auf die Lesereise nehmen, wenn man sich einem der Höhepunkte der Weltliteratur nähert.

Wie sehr die „Göttliche Komödie“ aus dem zeitgenössischen Schrifttum herausragt, zeigt ein Blick auf die mittelhochdeutsche Literatur. Wie im 18. Jahrhundert als vor allem die englischen Autoren in Sachen Roman ihren deutschen Kollegen weit voraus waren, können die deutschen Texte des Mittelalters – trotz aller Vorzüge – ästhetisch und intellektuell an Dantes Werk nicht heranreichen, vielleicht mit Ausnahme der kritischen Brillanz des Gottfried von Straßburg.

Dantes Meisterschaft setzt sich aus vielen Leistungen zusammen, wovon die Etablierung einer neuen Literatursprache selbstverständlich nicht die geringste ist. Hervorzuheben ist auch die Synthese höchst unterschiedlicher Bereiche in ein Sprachkunstwerk. Dies läßt sich an der „Hölle“ gut demonstrieren. Dantes Hölle wird von zwei unterschiedlichen Quellen gespeist. Die drastische Darstellung der Höllenqualen, denen die Göttliche Komödie einen großen Teil ihrer „Popularität“ verdankt, speist sich aus volkstümlichen Höllenvorstellungen. Diese Volkshölle entstand in der Spätantike wie man in diversen apokryphen Schriften nachlesen kann (Apokalypsen des Petrus‘ und Paulus‘ beispielsweise), und die bis ins Hochmittelalter größte Popularität erreichte. Die zweite Quelle war theologischer Art. Seit den Kirchenvätern gab es zahlreiche Höllensystematisierungsversuche. Denn auch wenn die Höllenqualen an sich die intellektuellen Propagandisten der Nächstenliebe nur in den seltensten Fällen störte, sollte die Folter doch wenigstens in einem elegantem theologischen System gründen.

Dante spannte nun diese beiden Welten zusammen, indem er den Höllensadismus der religiösen Volkskultur literarisch brillant verarbeitete, diese Hölle aber mit der bekannten systematischen Geographie versah, die sich aus theologischen Quellen speiste.

Agiert der Autor hier „mittelalterlich“ im besten Sinn, finden sich auch Aspekte, die auf die Renaissance vorausweisen. Die Respektlosigkeit, mit welcher der Autor die zeitgeschichtliche Prominenz (Päpste, Kaiser, Honoratioren aller Sparten) in die Hölle versetzt, ist von erfrischender Frechheit. Der die Höllenkreise hinabsteigende Dante (als literarische Figur!) ist viel näher am Renaissancemenschen als an den typologisierten Heldenfiguren, die sonst in der Literatur des Mittelalters ihr heroisches Unwesen treiben.

Es braucht viel Zeit, sich auf Dantes Werk und Welt einzulassen. Was aber könnte man mit seiner Zeit Bessereres anfangen? 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

code