Die feinen Unterschiede

[Aufmacher des von mir 1999 herausgegebenen Dossiers Literatur und Internet in Literatur und Kritik Nr. 339/340 (November 1999). Bisher als Notiz nicht verfügbar und deshalb reanimiert.]

Über das Verhältnis von Literatur und Netzliteratur

I.

Neue Medien waren immer schon ein dankbarer Spielplatz für unterbeschäftigte Theoretiker. So ist es nicht verwunderlich, daß sich auch das Internet großer theoretischer Aufmerksamkeit erfreut. Manche Denker prophezeien sogar ein neues Zeitalter, dessen Innovationen kaum einen Bereich des menschlichen Lebens unberührt lassen werden. Wie dieses Zeitalter aussehen wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Spannweite jedoch ist groß: Sie reicht von technofaschistoider Euphorie bis zu kulturpessimistischen Geisteshaltungen. Spiegelbildlich wiederholt sich diese Debatte in diversen (sub)kulturellen Nischen des Internet, von denen eine die der Netzliteratur ist: Begeisterte Anhänger der neuen ästhetischen Möglichkeiten stehen jenen gegenüber, die den Untergang der Literatur prognostizieren. Bevor man solche weitreichenden Spekulationen anstellt, sollte aber erst einmal geklärt werden, ob und inwiefern sich Netzliteratur von „normaler“ Literatur unterscheidet. Dieser Frage sind die folgenden Überlegungen gewidmet.

Auffallend viele ästhetische Überlegungen, die sich mit Kunst und Literatur im Internet beschäftigen, greifen auf postmoderne Theoriekonzepte zurück. Poststrukturalistische Denker sehen im Cyberspace ihre abstrakten Begriffe Wirklichkeit werden und befassen sich ausführlich mit „rhizomatischen“ virtuellen Strukturen. Aus postmoderner Perspektive nähert sich auch Walter Grond in seinem jüngsten Buch, Der Erzähler und der Cyberspace (1), diesem Thema. Auf 160 Seiten läßt er kaum etwas aus, was in den letzten 25 Jahren zur theoretischen Avantgarde gezählt worden ist (Dekonstruktion, Postkolonialismus, Popkultur, Foucault, Cyberpunk …). Viele seiner Thesen sind jedoch wenig überzeugend, beispielsweise wenn er behauptet, daß der Cyberspace einen revolutionären Kulturwandel bezeichnet, „indem die Netzwerke die Wahrheit in Bruchstücke zerlegen“ (S. 33). Der Wahrheitsbegriff an sich ist mit einer postmodernen Erkenntnistheorie unvereinbar, weil man etwas, dessen Existenz man grundsätzlich bestreitet, schwerlich in Bruchstücke zerlegen kann. Von einer absoluten Wahrheit ist in der Philosophie und sogar in großen Teilen der Naturwissenschaft seit vielen Jahrzehnten kaum mehr die Rede: der revolutionäre Pathos läuft deshalb ins Leere. Die Stichhaltigkeit von Gronds literaturtheoretischen Überlegungen läßt sich ebenfalls bezweifeln, etwa wenn er den „Hypertext“ mit Hilfe der schillernden Schrifttheorie Derridas erläutern will: „Einen ersten Text, der die Welt begründet hätte, gibt es nicht; der Ursprung ist leer. Das Buch und mit ihm die Welt, die alle anderen Bücher – und Welten – enthält und zugleich Offenbarung ist, bleibt ein Gerücht. Es gibt also keinen Ausweg aus den Texten. Sie sind bodenlos und notwendig […]“ (S. 93). Selbst wenn man die tiefsinnige Frage offen läßt, warum die Welt partout durch einen Text begründet werden soll, ist der Schluß von „Es gibt keinen ersten Text“ zu „Es gibt keinen Ausweg aus den Texten“ logisch nicht nachvollziehbar. Trotzdem entspricht diese Texttheorie „als Rahmen durchaus dem Hypertext; das elektronische Buch ist aber nicht nur von endloser Länge, sondern hat auch Seiten, die endlos ineinander verschachtelt sind.“ (S. 93) Letzteres ist empirisch widerlegbar, selbstverständlich gibt es viele Hypertexte, die von endlicher Länge und nicht endlos verschachtelt sind.

Die mangelnde Überzeugungskraft von Gronds Analysen (2) hängt eng mit seinen metatheoretischen Vorstellungen zusammen. Seiner Auffassung nach kann in einer computergestützten Umgebung keine totale Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Dichtung mehr gefunden werden. Ließe sich eine solche Antwort aber in einer computerfreien Umgebung finden? Grond meint vermutlich, daß Netzliteratur einen zu hohen Komplexitätsgrad erreicht habe, als daß man noch eine plausible Literaturtheorie entwerfen könne. Dagegen kann man aber einerseits einwenden, daß es „analoge“ Werke wie Joyces Finnegans Wake gibt, die komplexer sind als fast alle Werke der Netzliteratur. Andererseits liegt diesem Gedankengang eine Verwechslung von Objekt- und Metaebene zugrunde. Ein vieldeutiger, komplexer Gegenstandsbereich schließt eindeutige theoretische Aussagen über ihn keineswegs aus.

II.

Wenn postmoderne ästhetische Konzepte nur wenig Konkretes zum Verständnis von Netzliteratur beitragen können, gilt es nach Alternativen Ausschau zu halten. Im folgenden soll deshalb der Versuch unternommen werden, aus der Perspektive der analytischen Ästhetik den Unterschied zwischen „traditioneller“ Literatur und ihren virtuellen Nachfolgern zu eruieren. Werke der Netzliteratur müssen die neuen ästhetischen Möglichkeiten des Mediums nutzen, ansonsten spricht man besser von Literatur im Netz, die beispielsweise im Internet abrufbare Klassiker umfaßt.

Ein literarisches Werk läßt sich auf der abstraktesten ästhetischen Ebene als ästhetischer Gegenstand analysieren, wobei mit „Gegenstand“ die allgemeinste ontologische Kategorie gemeint ist. Das gilt sowohl für alle klassischen Werke der Weltliteratur als auch für die meisten modernen Publikationen, wenn man einige avantgardistische Konzepte aus heuristischen Gründen ausklammert. Für das philosophische Verständnis von Kunstwerken hat es sich als hilfreich erwiesen, das Werk als abstrakte Entität (type) von seinen jeweiligen materiellen Manifestationen (token) zu unterscheiden. Nach dieser Terminologie ist beispielsweise die achte Symphonie von Schostakowitsch als solche ein type, während es sich bei den im Umlauf befindlichen Partituren jeweils um ein token handelt. Auch für die Literatur ist diese Unterscheidung theoretisch bedeutsam, denn sonst gäbe es ein literarisches Werk nicht nur einmal, sondern mehrfach, also nicht nur einen Hamlet, sondern unzählige „Hamlets“, weil es unzählige Bücher mit Hamlet gibt: offenkundig eine unsinnige Annahme. Um Literatur nun von anderen Kunstformen zu unterscheiden, nehmen die meisten Literaturtheorien noch das Prädikat „sprachlich“ hinzu. Außerdem werden komplexe Strukturen postuliert, die auf den verschiedensten Ebenen interagieren. Ein literarisches Werk wäre demnach ein komplex strukturierter sprachlicher ästhetischer Gegenstand.

Untersucht man Netzliteratur nach dem selben Prinzip, stellt man schnell fest, daß der Unterschied zur „normalen“ Literatur auf dieser theoretischen Ebene nur minimal ist, handelt es sich doch ebenfalls um einen ästhetischen Gegenstand, der komplex strukturiert ist. Die „Partitur“ dieser Struktur ist nun aber kein Buch: Das Papier als materielles wird durch ein digitales Trägermedium ersetzt. Dies bringt vielfältige Konsequenzen für Produktion, Rezeption und Vermittlung mit sich. Festzuhalten ist aber an dieser Stelle, das Literatur und Netzliteratur ästhetisch mehr Gemeinsamkeiten aufweisen, als gemeinhin angenommen wird. Die oft zu vernehmende pathetische Abgrenzungsrhetorik ist deshalb auf beiden Seiten unangebracht. Statt ästhetische Fronten zu errichten, die desto brüchiger werden, je abstrakter die ästhetische Analyseebene ist, sollte man Gemeinsamkeiten und Unterschiede leidenschaftslos untersuchen.

Die Kardinalfrage bezüglich der Abgrenzung zwischen Netzliteratur und ihrem analogen Vorläufer betrifft die Sprachlichkeit. Soll man das Prädikat „sprachlich“ zur ästhetischen Begriffsbestimmung hinzunehmen? Auf den ersten Blick scheint die Antwort klar zu sein: Virtuelle Werke greifen oft auf nicht-sprachliche Elemente zurück – das Schlagwort lautet „Multimedia“ -, eine Einschränkung auf den sprachlichen Bereich erscheint unangebracht. Verzichtet man jedoch auf diese Charakterisierung, besteht die Gefahr, daß der Begriff Netzliteratur die Trennschärfe verliert, die theoretisch notwendig ist, um semantische Beliebigkeit zu vermeiden. Wieso dann überhaupt noch von „Literatur“ reden, und nicht gleich von Netzkunst? „Literatur“ wäre bestenfalls eine vage Metapher, und es stünde der Verdacht im Raum, das kulturelle Prestige der Literatur solle für literaturfremde Anliegen zweckentfremdet werden. Deshalb ist es sinnvoll, zumindest in einer modifizierten Form an Sprachlichkeit als Kriterium für Netzliteratur festzuhalten, wobei Audioelemente eingeschlossen sind. Ein Werk der Netzliteratur wäre demnach ein komplex strukturierter überwiegend sprachlicher ästhetischer Gegenstand.

III.

Wenn es für die ästhetische Konzeption unerheblich wäre, ob und inwiefern ein Werk sprachlich ist, führte das schnell zu literaturfernen Vorstellungen. Daß es sich dabei um keine spekulativen Annahmen handelt, zeigt ein vielbeachtetes Buch von Janet H. Murray, die am Massachusetts Institute of Technology ein Projekt über „Advanced Interactive Narrative Technology“ geleitet hat. Unter dem Titel Hamlet on the Holodeck. The Future of Narrative in Cyberspace (3) entwirft sie ein virtuelles Zukunftsszenario, in dem Literatur nur noch eine marginale Rolle spielt. Ihrer Auffassung nach wird nämlich nicht der Hypertext (in welcher konkreten Ausformung auch immer) das narrative Element des neuen Mediums beherrschen, sondern Simulationen. Damit meint sie virtuelle Landschaften, in denen der „Leser“ in gewissen Grenzen selbst aktiv werden kann. Man kann sich das als eine Fortentwicklung bestimmter Genres von Computerspielen vorstellen, freilich auf einem wesentlich höheren Niveau. Anstatt vergleichsweise primitive Kampf- oder wenig relevante Rätselaufgaben zu lösen, könnte der „Spieler“ in einem komplex organisierten Handlungsrahmen beispielsweise vor schwierige moralische Entscheidungsprobleme gestellt werden. Das hätte mit Lesen im herkömmlichen Sinn offenbar nicht mehr viel gemein. Als mediale Vergleichsgrößen scheinen in diesem Szenario eher Fernsehen und Kino in Frage zu kommen. Vorläufer dieser neuen Form der Narration sieht Murray konsequenterweise weniger in literarischen Werken der Moderne, sondern in dreidimensionalen Filmprojektionen oder PC-Spielen.

Wer sich nun die Frage stellt, inwieweit dieses Zukunftsszenario ästhetisch an die Literatur anknüpfen kann, wird in dem ausführlichen zweiten Teil des Buches, The Aesthetics of the Medium, keine befriedigenden Antworten finden. Die drei Schlüsselbegriffe lauten nämlich Eintauchen (Immersion), Interaktivität (Agency) und Transformation (Transformation). Aber schon das erste dieser drei Kriterien für erfolgreiches „Erzählen“ mutet aus dem Blickwinkel der literarischen Ästhetik vormodern an: Das Eintauchen-Können in eine fiktive Welt mag überlebenswichtig für Produkte der Unterhaltungsindustrie sein, sagt aber sicher nichts über die Qualität von Literatur aus. Das gilt auch für das interaktive Element, welches zwar häufig eine wichtige Eigenschaft von Netzliteratur ist, aber nicht notwendigerweise eine ästhetische. Mit „Transformation“ bezeichnet Murray eine Vielzahl von unterschiedlichen Phänomenen, beispielsweise die Möglichkeit, in virtuellen Welten verschiedene Rollen anzunehmen oder verschiedene Handlungsvarianten durchzuspielen. Ist man mit diesen „ästhetischen“ Grundlagen vertraut, wird man nicht mehr davon überrascht, daß die Autorin die Zukunft des digitalen Erzählens in einer Synthese von virtueller Simulation und dem Fernsehen sieht: „The more closely the new home digital medium is wedded to television, the more likely it will be that its major form of storytelling will be the serial drama.“ (S. 254) Schlüsselbegriffe sind hier „web soap“, „hyperserial“ und „cyberdrama“.

Sollte Murray mit ihren breit rezipierten Prognosen recht behalten, dann würde zwar eine neue Ära des elektronischen Entertainments eingeleitet, aber sicher keine neue Kunstform entstehen. Angesichts dieser Aussichten ist es nötig, am spezifisch Literarischen der Netzliteratur festzuhalten. Ein notwendiges Merkmal des Literarischen ist das Sprachliche, weshalb die Forderung berechtigt ist, von einem Werk der Netzliteratur nur dann zu sprechen, wenn es überwiegend sprachlich ist. Für alle anderen Kunstwerke im Netz bietet sich Netzkunst als Bezeichnung an.

IV.

Eine akzeptable Begriffsexplikation von ‚Netzliteratur‘ muß selbstverständlich noch um weitere Merkmale ergänzt werden: Ein Werk im Internet gehört genau dann zur Klasse der Netzliteratur, wenn es sich um einen überwiegend sprachlichen, komplex strukturierten ästhetischen Gegenstand handelt, auf den zusätzlich eines der folgenden Merkmale zutrifft: Er ist hypertextuell oder multimedial oder interaktiv.

[1] Walter Grond: Der Erzähler und der Cyberspace. Haymon Verlag, Innsbruck 199, 160 Seiten.

[2] Selbst Anhänger der Popkultur konnte er nicht von seinen Thesen überzeugen, wie man in der Rezension seines Buches nachlesen kann, die im Szenemagazin Testcard (Nr. 7; S. 270/271) erschienen ist.

[3] Janet M. Murray: Hamlet on the Holodeck. The Future of the Narrative in Cyberspace. MIT Press, Cambridge 1997, 324 Seiten.

5 Gedanken zu „Die feinen Unterschiede

  1. Danke für das Bereitstellen. Es kursiert ja allerhand Unsinn zu diesem Thema, nicht nur im Netz, sondern auch in den Universitätsbibliotheken. Bei dem Herumprognostizieren sollte man sich wohl entspannt zurücklehnen; denn nicht alles, was in einem Medium „theoretisch“ möglich ist, wird dann auch wirklich ausgespielt, beziehungsweise von den Rezipienten angenommen. Und dass „das“ Buch (ob gedruckt oder nicht; aber klassisch ansprechend) schon heute für den allergrößten Teil der Weltbevölkerung keine unglaublich große Rolle mehr spielt, ist für mich insofern ein Trost, als die Computerspiele uns da nicht mehr viele Gleichgesinnte abnehmen können. Außerdem stellt mir das Netz seit neuester Zeit die einzige Möglichkeit bereit, mich über „klassische“ Literatur auszutauschen. Also, frei nach Golo Mann: Wer versucht, die Zukunft auf einen Nenner zu bringen, liegt falsch. Was Murray da also darstellt, ist für mich genauso vage wie die unzähligen anderen viel beachteten Prognosen zu dem Thema. Momentan wird ja auch der „Tod des Autors“ wieder heraufbeschworen und alle meinten, das Internet biete endlich das, was Roland Barthes forderte. Wenn man noch mal Barthes liest, so findet man seine Gedanken 1. keineswegs so neu, 2. nicht im Internet „verwirklicht“ und 3. sowieso nicht so beeindruckend. Doch zweifelsohne wird das Internet viel verändern; das gilt es wohl vor allem mit Neugierde zu beobachten (oder besser: Es gilt, daran teilzunehmen und mitzugestalten). Die Germanistik gebe ich dennoch auf…

  2. Literatur wird es immer geben, aber ich denke die großen Happen werden durch Häppchen ersetzt. Die Zeit um sich in ein Buch hineinzufühlen ist vorbei, alles muss rasch konsumierbar sein oder sich zumindest in Häppchen zerlegen lassen. Das Internet gibt diese Art der Kommunikation vor und die neue Generation wächst mit Smartphones in der Hand auf, nicht Bücher.

    1. Ich weiß es nicht… wahrscheinlich meinen Sie mit der „neuen“ Generation die meine (ich bin Jahrgang 92) und man sollte tatsächlich meinen, dass das im Großen und Ganzen schon der Fall ist, dass wir sehr auf den schnellen (zeit- und ortsungebundenen) Konsum orientiert sind. Aber es versteht sich von selbst, dass es immer Gegenentwicklungen zum jeweiligen Maintream gibt. Natürlich ist auch mein Lektüreverhalten ein anderes als das meiner Eltern (beziehungsweise das ihrer Generation; meine Eltern lesen eigentlich nicht sonderlich viel, wenn ich so darüber nachdenke), aber ich glaube schon, dass es mehr Exemplare meiner Generation gibt, die gerne lesen (und zwar im alten Sinne des Wortes), als man so gemeinhin denkt. Und wenn „das“ Buch eben nicht mehr Leitmedium sein wird, so sei hier an die abgedroschene Phrase erinnert, dass, als Goethe seinen Werther zuerst veröffentlichte, drei Viertel der Bevölkerung gar nicht lesen k o n n t e. Vielleicht normalisiert sich der Medienkonsum in nächster Zeit auch einfach und wir haben zweihundert Jahre hinter uns, in denen viel zuviel gelesen wurde… wer weiß… Und vielleicht geht es ja auch in erster Linie der Trivial- und nicht der hier wohl in Frage stehenden Literatur an den Kragen.

  3. Vielen Dank für die interessante Diskussion! Seriöse Literatur war ja immer ein Minderheitenprogramm, und meine Hypothese ist, dass absolut und relativ noch nie so viel Hochwertiges gelesen wurde wie heutzutage. Ich sehe in den nächsten Jahren aber eine starke Verschiebung in Richtung Ebooks, speziell auch bei den Klassikern, weil diese alle schon jetzt gratis zu haben sind. Kulturpessimismus scheint mir heute genauso unangebracht wie in der Vergangenheit.

    Was Literatur als fiktionale Unterhaltung angeht, werden wohl Computerspiele und Serien (wo es inzwischen ja auch eine anspruchsvolle Schiene gibt) bei den Jungen immer stärker werden, trotz „Harry Potter“ und Co.

    Zu postmodernen Theorien (Tod des Autors etc.) habe ich meine Meinung klar dokumentiert: https://www.koellerer.net/2012/01/16/die-errungenschaften-der-postmoderne-als-theorie/

    1. Es gibt ja auch erst mal neue Textsorten, die an sich sehr interessant sind und denen man sich nicht verwehren sollte. Momentan lese ich die Blütentstaub-Fragmente von Novalis und habe dabei ständig das Gefühl, dass das, was ich dort lese, am besten eigentlich in digitaler Form dargestellt wäre: mit unendlichen Verweisen und der prägnanten Sprache entsprechend.
      Beunruhigend finde ich dahingegen aber den Zustand der Lesekompetenz sogar vieler Germanistikstudenten. Wenn man auch niemanden zur „Hochkultur“ zwingen kann, so sind wir zur Vermittlung spezialisierten Wissens immer noch auf Texte angewiesen. Und wer nicht richtig lesen kann, hat wirklich keine guten Chancen…
      Nunja: Geschichten hat man sich immer erzählt, mit Wortklängen immer gespielt und erdachte Rollen immer unter Zuhilfenahme des eigenen Körpers und der eigenen Stimme dargestellt. Bevor wir so etwas wie Poesie aufgeben werden, müssen wir schon auf den nächsten Schritt der Evolution warten. Literatur gehört, nach meinem Dafürhalten, gewissermaßen zu den Grundeigenschaften des Homo Sapiens. Und dem rechne ich mich und meine Altersgenossen zu.

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