Empfehlungen: Die Philosophiegeschichte des Frederick Copleston

Gute Philosophiegeschichten gibt es nur wenige auf dem Buchmarkt. Eine der mit Abstand besten schrieb Mitte des letzten Jahrhunderts der gelehrte Jesuit Frederick Copleston. Das elf Bände umfassende Werk nötigt Respekt vor dieser gewaltigen Arbeitsleistung ab. Der Forschungsstand ist natürlich inzwischen veraltet. Da sich die aktuellen Debatten aber meist um ähnliche Fragestellungen kreisen, trotzdem interessant. Die Darstellungen der einzelnen Philosophen lesen sich ausgesprochen frisch.
Zwei Aspekte sind besonders hervorzuheben: Seine in bester angelsächsische Manier sehr verständliche Darstellungsweise, die trotzdem komplexe Sachverhalte nicht simplifiziert. Die Ausführlichkeit seiner Darlegung ist weiters hervorzuheben. Die meisten Philosophiegeschichten bestehen aus einem bis drei Bänden, eine lächerliche Anzahl angesichts des gewaltigen Stoffes. Wer also seine Bibliothek philosophisch aufrüsten will, dem sei Coplestons Lebenswerk sehr ans Hirn gelegt. Nebenbei bemerkt ein Beleg, dass man sogar als Jesuit seine Zeit nützlich verbringen kann. Die einzelnen Bände sind:

5 Gedanken zu „Empfehlungen: Die Philosophiegeschichte des Frederick Copleston

  1. Ob das dem Pater Copleston selbst viel genützt hat, wage ich zu bezweifeln. In dem Band von Bertrand Russell „Why I am not a Christian and other Essays on Religion and related Subjects“ steht nämlich das Protokoll eines Gesprächs mit dem Pater, der sich, als wäre er ein Klon des Doctor Angelicus, unbekümmert also vernehmen lässt:
    „So, I should say, in order to explain existence, we must come to a being which contains within itself the reason for its own existence, that is to say, which cannot not-exist.“
    Bei Kant liest sich das vielmehr so:
    „Denn alle Bedingungen, die der Verstand jederzeit bedarf, um etwas als nothwendig anzusehn, vermittelst des Wortes UNBEDINGT, wegwerfen, macht mir noch lange nicht verständlich, ob ich alsdann durch einen Begriff eines Unbedingtnothwendigen noch etwas, oder vielleicht gar nichts denke.“
    Von dem soll man sich Kant erklären lassen? Und was Hobbes, Hume und Voltaire betrifft, so scheint mir deren jeweilige eigene Darstellungsweise schon verständlich genug zu sein, um keinen Gesellschafter Jesu als Dolmetscher zu brauchen.

  2. Selbst wenn Copleston an grüne allmächtige Zwerge geglaubt hätte, bleibt es doch die beste Philosophiegeschichte, die ich kenne. Seine persönliche Weltanschauung hat nichts mit seinen Qualitäten als Historiker zu tun.

    Umgekehrt, ist der weltanschaulich sympathische Bertrand Russell einer der schlechtesten Philosphiehistoriker. Seine Philosophiegeschichte wimmelt voller Fehler.

    1. Grüne Zwerge zu bemühen ist gar nicht nötig. Als pflichtbewusster Priester musste auch besagter Jesuit glauben, der spezielle Snack, den er jeden Morgen verzehrte, sei, um seinem Ordensbruder Alphons Rodriguez das Wort zu erteilen, „derselbe Leib unseres Heilandes, der aus dem jungfräulichen Leibe der heiligsten Jungfrau geboren wurde, der am Kreuze hing, der von den Toten wieder auferstand und jetzt zur Rechten des Vaters thront in unendlicher Herrlichkeit“.
      Als Historiker soll er trotzdem objektiv sein, sogar wenn es um einen Bösewicht wie Voltaire geht? Na, mal sehen. Spaßeshalber habe ich mir seinen „Enlightenment“-Band bestellt.
      Bertrand Russells „Fehler“ (ein paar Beispiele wären zweckdienlich, zur Behauptung, dass es davon „wimmelt“) sind vielleicht eher Einschätzungen, die als solche immerhin nicht unbegründet sind, z.B. Platons „Staat“ als Blaupause des Totalitarismus.

      1. Also, Pater Copleston verschweigt zwar nicht geradezu die feindliche Haltung Voltaires der römisch-katholischen Kirche gegenüber, berichtet davon jedoch nur nebenbei. Was den Aufklärer gegen Bibel und Klerus eigentlich so aufbrachte, wird kaum zum Thema, schon gar nicht vermittelt, dass er zur Zeit des „Dictionnaire philosophique“ seine wesentliche Restlebensaufgabe in deren Bekämpfung sah, wie ein neuerer Herausgeber anmerkt, „d’écraser l’infâme sous toutes ses formes“. Der Pater hingegen eilt gleich weiter zu den immerhin auch von Voltaire vorgetragenen „Gottesbeweisen“: die Uhr und der Uhrmacher, na klar. Heutzutage muss es meistens ein Jumbo-Jet sein, der doch nicht durch zufällig wehende Winde zusammengesetzt worden sein könnte. Das ist offenbar unmöglich, was aber überhaupt nichts zur Sache tut. Wenn man den grundsätzlichen Denkfehler dieser Beweisführung einmal eingesehen hat, ist es schon erstaunlich, dass jemand wie Voltaire ihn nicht erkannt haben sollte. Gelegentlich, in Briefen, gibt er so halb und halb zu, in seiner Theismus-Propaganda eher von praktischen Erwägungen bestimmt zu sein, um nämlich das niedere Volk im Zaum zu halten: „Aber es ist gut, wenn meine Magd und deine Magd daran glauben.“ Damit sie nicht heimlich den Wein der Herrschaften süffeln, usw. „Der Patriarch kann von seinem Bestrafer/Belohner nicht lassen“, meinte Diderot dazu. Wie allerdings die nachträgliche Vergeltung vor sich gehen soll, bleibt unklar, da Voltaire weder eine „unsterbliche Seele“ noch die „Auferstehung des Leibes“ für glaubwürdig hält. (Übrigens sind das zwei grundverschiedene Vorstellungen, die im Christentum nie so recht erläutert nebeneinander fortbestehen.) Jedenfalls lernt man auch Voltaire am besten kennen, indem man ihn selbst liest. Wer’s noch nicht getan hat, tue es jetzt.
        Ach ja, um das noch zu erwähnen, Pater Copleston behandelt zwar Vauvenargues, übergeht aber Chamfort: you thought that was the sort of thing he /would/ do. (Nichts gegen Vauvenargues, aber mehr für Chamfort.)

  3. Copleston ist sicher auf meiner erweiterten To-Get-List. Leider scheint er aktuell nicht erwerbbar bzw. unerschwinglich zu sein. Unterdessen kann ich die Philosophiegeschichte von A. Kenny empfehlen. Um genau zu sein: Band 1 uneingeschränkt, Band 2 lese ich gerade, 3 und 4 harren der Dinge. Kenny kommt wie Copleston von der katholischen Seite her, hat sie allerdings schon lange hinter sich gelassen. Eine Einschränkung vielleicht: Kenny schreibt explizit für den Philosophiestudenten im zweiten oder dritten Jahr. Ist aber profund und präzise – wie die Engländer halt so sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

code