Robert Menasse: Die Vertreibung aus der Hölle. Roman

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In Zeiten, in denen der anglikanische Primas, Erzbischof Williams, über eine Teileinführung der Scharia in Großbritannien nach“denkt“, ist ein Roman, in dem die spanische Inquisition eine zentrale Rolle spielt, nur im engeren Sinn des Wortes als „historisch“ zu kategorisieren. Menasse lässt in „Vertreibung der Hölle“ gut recherchiert und literarisch gekonnt das Portugal und die Niederlande des 17. Jahrhunderts auferstehen. Im Mittelpunkt steht der junge Samuel Manasseh, der spätere Lehrer des Baruch Spinoza, der mit seiner Familie von der Inquisition aus Portugal nach Amsterdam vertrieben wird. Samuel ist ein Vorfahre des Wiener Historikers Viktor Abravanel, dessen Familiengeschichte im Wien der Nachkriegszeit und in den siebziger Jahren den zweiten Handlungsstrang des Romans bestreitet. Beide Stränge sind inhaltlich und motivisch eng verknüpft, ab und an hätte man sich hier trotzdem mehr literarische Subtilität gewünscht.

Trotzdem sind aber die knapp fünfhundert Seiten des Romans gut investierte Lesezeit. Viele Motive weisen ihn beinahe als „klassischen“ österreichischen Roman aus: Von den Qualen des katholischen Internats bis hin zur (ironisch gebrochenen) Kritik an Österreichs Verdrängungsvirtuosität reicht das Spektrum.

Das Buch wurde an verschiedenen Stellen als eine Art Romanbiographie des jüdischen Gelehrten Manasseh angepriesen. Das ist leider nur bedingt der Fall. Beide Handlungsebenen beschränken sich überwiegend auf die Kindheit und die Jugend der zwei Protagonisten. Kaum tritt Spinoza als Junge auf, geht das Buch dem Ende zu, was für uns philosophisch Interessierte natürlich enttäuschend ist.

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