Jonathan Franzen: Die Korrekturen

Rowohlt bzw. rororo

„Literarische Sensation“ war beinahe noch zurückhaltend, die Literaturkritik überschlug (und überschlägt) sich mit Superlativen. John Updike und Philip Roth reichen als Referenz nicht aus, von den Klassikern des 19. Jahrhunderts ist die Rede, immer wieder von den „Buddenbrooks“.

In Wahrheit ist das Buch eine literarische Enttäuschung. Handelte es sich nur um einen der zahllosen schlechten Romane, wäre das nicht weiter schlimm. Besonders ärgerlich ist jedoch, dass Franzen durchaus ein herausragendes Werk hätte schreiben können, ihm aber zu viele Fehler unterlaufen. Ein schlechtes Musikstück eines durchschnittlichen Komponisten nimmt man hin. Warum sollte man seine Zeit auch auch mit durchschnittlichen Talenten verschwenden? Dagegen wirkt ein schlechtes Lied von etwa Schubert besonders enttäuschend, da man seine besten Kompositionen kennt.

Ähnlich bei Franzen. Nicht wenige Passagen sind brillant und man wird tatsächlich an obige Referenzen erinnert. Die meisten „geriatrischen“ Schilderungen zählen dazu. Der größte Fehler liegt in der inhaltlichen Überfrachtung des Romans, sogar vor kolportageartigen Elementen schreckt Franzen nicht zurück. So reicht es nicht, dass eine der Hauptfiguren in Litauen betrügerische Investments organisiert und eine Reihe von Abenteuern erlebt, nein, er muss auf der Rückreise auch noch von finsteren vermummten Gestalten auf einer dunklen Landstraße ausgeraubt werden (wobei natürlich ausgerechnet das Geld nicht gefunden wird, das für das Rückflugticket noch benötigt wird …) Diese ins Triviale abgleitende Übertreibungen sind es, warum man Franzen noch keineswegs mit Updike vergleichen kann. Ihm fehlt der Sinn für erzählerische Ökonomie. Es reicht eben nicht 800 Seiten zu schreiben, in denen sich hervorragende mit durchschnittlichen und schlechten Abschnitten abwechseln, um ein „Meisterwerk“ zu schreiben. Der Vergleich mit den „Buddenbrooks“ läuft deshalb völlig ins Leere, denn es ist gerade die souveräne Beherrschung der Stoffmassen und die quasi-musikalische, abwechslungsreiche Verdichtung des Materials, die man bei Franzen vergeblich sucht.

„Die Korrekturen“ zeigen viel von der amerikanischen Gegenwart. Sollte es Franzen gelingen, diese Welthaltigkeit ästhetisch besser in den Griff zu bekommen, könnte ihm tatsächlich eine literarische Sensation gelingen, noch ist es nicht so weit.

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