László Krasznahorkai: Satanstango

Üblicherweise verweigere ich aufgrund schlechter Erfahrung Literaturverfilmungen. In diesem Fall ist es nun umgekehrt: Bela Tarrs Film hat mich so begeistert, dass ich unbedingt den Roman lesen wollte, der dem Streifen zugrunde liegt.

Die erste Überraschung bei der Lektüre: Das Buch ist narrativ deutlich klarer als der Film. Während auf dem Bildschirm einige Fragezeichen zur Handlung stehen bleiben, ist der Text auf dieser grundsätzlichen Ebene nicht ambivalent. Man weiß genau, was die Figuren machen und was ihre oberflächliche Motivation ist. Der grandios-versoffene Doktor etwa ist kein Polizeispitzel, was ich beim Sehen des Films annahm, sondern er schreibt „nur“ Tagebücher über seine Umgebung.

Krasznahorkai beschreibt die wenigen Bewohner einer sich auflösenden, völlig heruntergekommenen Kolchosesiedlung. Sucht man filmische Analogien, so sind diese Figuren eine gelungene Kombination aus Ulrich-Seidl- und Aki-Kaurismäki-Figuren. Kurz: Menschliche Abgründe tun sich auf. Der Höhepunkt (besser: Tiefpunkt) des Romans ist, wie im Film, das Kapitel, wo ein zurückgebliebenes Kind erst seine Katze zu Tode foltert, um sich danach selbst mit Rattengift zu töten. Krasznahorkai kennt offenbar Kafkas Strafkolonie.

Weitere Abgründe tun sich auf, wenn man das Buch analog abstrakt zu Kafkas Werken versteht, denn offensichtlich stehen diese traurigen Gestalten nicht nur für sich selbst, sondern für den Zustand der Welt, in der wir leben. Egal, ob man das Buch wörtlich oder im übertragenen Sinne liest: Es ist ein misanthropes, illusionsloses und düsteres Buch. Damit ein willkommener Kontrapunkt zur alltäglichen Heuchelei in fast allen Medien.

László Krasznahorkai: Satanstango (Ammann)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

code