Die Geschichte der Kindheit

In den sechziger Jahren vertrat Philippe Ariès sehr erfolgreich die These, dass die Kindheit eine moderne Erfindung sei, frühestens seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar. Diese Auffassung wurde schnell historischer common sense, obwohl man die „Falschheits-Wahrscheinlichkeit“ so undifferenzierter Behauptungen schon damals hätte erkennen können.

Eamon Duffy beschäftigt* sich in der New York Review of Books Nr. 20/2002 mit mehreren aktuellen Büchern, die diese These durch eine Fülle von Material widerlegen, etwa „Medieval Children“ von Nicholas Orme (Yale University Press):

All of Ariès’s central contentions about medieval children, Orme thinks, are demonstrably false, from the alleged lack of affection between medieval parents and children to the absence of a distinctive culture of childhood, with special games, literature, clothing and toys […] the book is an almost overwhelming refution of Ariès, demonstrating by the use of a wide range of the surviving medieval material the deep continuities of the human experience of youth and growth.

Worauf Duffy in seinem Aufsatz nicht eingeht, was aber eine Erwähnung verdient, ist die Tatsache, dass die Verbreitung einer so fragwürdigen These wie die des Ariès nur in einer geisteswissenschaftlichen Kultur möglich ist, welche die Ergebnisse der Naturwissenschaften völlig ignoriert. Die Evolutionsbiologie weiß seit langem um die Besonderheit der Eltern-Kind-Beziehung, weshalb die Theorie des französischen Historikers schon auf biologischer Ebene unhaltbar ist.

* Der Artikel ist mittlerweile Teil des kostenpflichtigen Archivs der NYRB.

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