Sommer / von Lahr: Die verdammt blutige Geschichte der Antike ohne den ganzen langweiligen Kram

Gekauft habe ich mir das Buch wegen eines launigen Interviews der beiden im Deutschlandfunk, und weil ich den Titel ganz amüsant fand. Michael Sommer ist Professor für Geschichte in Oldenburg. Stefan von der Lahr war von 1992 bis 2024 der Lektor des altertumswissenschaftlichen Programms bei C.H. Beck. Zwei kompetente Autoren also.

Gleich vorneweg: Wer sich bereits mit der Geschichte der Antike beschäftigt hat, bekommt hier eine flapsig-amüsante Auffrischung geboten. Als Vorbilder werden auch Monty Python genannt. So steht zu Beginn ein „Warnhinweis“:

Dieses Buch kann Spuren von Gewalt, sexuelle Inhalte, Schimpfwör-
ter und politische Unkorrektheiten aller Art enthalten, ist dafür aber
garantiert zucker- und kalorienfrei. Es darf nicht in die Hände von
Kindern oder Besucherinnen und Besuchern humanistischer Gym-
nasien gelangen. Die Lektüre kann verstörend wirken. Zu weiteren
Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihre Ärztin, Ihren Arzt
in Ihrer Apotheke oder wo Sie wollen.

Auf gut dreihundert Seiten bekommen wir die ekelhafteren Seiten der Antike präsentiert, vom brutalen Krieg in Troja bis zum Untergang des römischen Reiches. Dabei werden sehr erfrischend die zahlreichen uns eingeimpften humanistischen Klischees vom Kopf auf die Füße gestellt. So war die erste Demokratie in Athen keine Idylle, sondern wurde regelmäßig von Demagogen manipuliert. Auch die brutalen Entscheidungen der Volksversammlungen, wie Mini-Genozide als Bestrafungsaktionen werden gebührlich erwähnt. Alexander der Große wird als megalomaner Massenmörder dargestellt. Caesars Gallienfeldzug als eine Aneinanderreihung von Kriegsverbrechen.

Parallelen zur Gegenwart drängen sich ständig auf, ebenso die Erkenntnis, dass sich anthropologisch wenig änderte in den letzten 2000 Jahren.

Wer nicht begreifen will, dass Invasoren und Aggressoren ein Gebiet „zusteht“, der wird eben totgeschlagen oder vertrieben oder so lange unterdrückt, bis die Erniedrigten und Beleidigten nicht mehr wagen oder nicht mehr in der Lage sind, sich zu wehren.

So erinnert einen bei der Lektüre das hemmungslose und straffreie Töten der Heloten durch die Spartaner sehr an jenes der Palästinenser durch die Israelis. Da braucht es nicht einmal einen Netanjahu, der inzwischen wie die Nazis die Spartaner als großes Vorbild nennt. Hier liest man dagegen:

So liefert Sparta ein sinnfälliges Beispiel dafür, dass die Kombination aus viel Panzer und wenig Hirn seit den Tagen der Dinosaurier kein wirkliches Erfolgsmodell ist.

Das Buch eignet sich als prägnante Auffrischung des eigenen Wissens über die Antike oder auch als Einführung, wenn man sich zum ersten Mal dem Thema nähert. In diesem Fall muss man sich aber dessen bewusst sein, dass viele wichtige Themen gerade kultur- und geistesgeschichtlicher Natur bewusst stiefmütterlich behandelt werden. Dritte Zielgruppe könnten Politikinteressierte sein, die noch der Illusion erliegen, die Menschheit würde etwas aus der Geschichte lernen. Denen würde ich aber gleich die Lektüre des Thukydides empfehlen (zur Notiz).

Michael Sommer; Stefan von der Lahr: Die verdammt blutige Geschichte der Antike ohne den ganzen langweiligen Kram (C.H. Beck

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