Dieser 1889 erschienene Roman Wilhelm Raabes wurde sowohl von der Forschung als auch von der Leserschaft als Nebenwerk eingestuft und es dauert über hundert Jahre bis die raffinierte Komplexität des Texts verstanden wurde. Die Ursache dafür ist leicht zu erkennen: An der Oberfläche handelt es sich um eine vergleichsweise schlichte Geschichte. Drei junge Leute und ein knorriger alter Tierarzt stehen im Mittelpunkt. Die zwei jungen Männer sind Jugendfreunde mit vielen Illusionen und werden schnell von der Realität des Lebens eingeholt. Blech will Künstler werden und wird Leichenfotograf. Kohl bringt es wie sein Vater zum Doktor der Germanistik und wird dann Sensationsjournalist für ein Drecksblatt, weil er auf andere Weise seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Eine für unser junges Prekariat nach wie vor relevante Geschichte. Dann gibt es noch Rosine Müller, die es im Leben gar nicht leicht hatte, und sich als Klavierlehrerin durchschlagen muss und sich mit dem ruppigen Tierarzt anfreundet. Als der Greis fast stirbt, kommen sich Kohl und Müller endlich näher und werden am Ende ein glückliches Paar.
Sehr unspektakulär das alles, wäre da nicht einerseits die satirische Darstellung der damaligen Gegenwart. Dafür steht der titelgebende Lar, ein ausgestopfter Affe und Begleiter des alten Tierarztes. Es ist unschwer zu erkennen, dass dieser die Torheit der Menschheit symbolisiert. Gleichzeitig bringt er die damals heiße Evolutionsdebatte in den Text. Doch das ist nicht die einzige Ebene, die den Lar über eine triviale Liebesgeschichte mit happy ending transzendiert. Dazu kommen noch Raabes metafiktionale Spielereien. So macht sich der Untertitel über die damalige mediale Gewohnheit lustig, zu den Feiertagen spezielle Geschichten in den Zeitschriften zu drucken. Er durchbricht auch immer wieder die vierte Wand und kommentiert direkt und indirekt den Erzählfluss.
Möglicherweise sind einige dieser Tiefenstrukturen etwas unterdeterminiert, was erklären würde, warum deren Rezeption so lange gedauert hat. Im Vergleich etwa mit den Stopfkuchen ist es tatsächlich ein Roman der zweiten Kategorie. Das macht ihn aber nicht weniger lesenswert. Zumal Raabe in der deutschsprachigen Literatur seiner Zeit aufgrund seiner Experimentierfreude ohnehin eine zu schätzende Sonderrolle spielt.