Wie kann man sich seriös informieren?

Letztes Update: 24.9. 2017

Ich bin in fast allen Belangen ein Qualitätsfanatiker. Das gilt auch für meine Informationsquellen: Meine Ansprüche an journalistische Standards und Analysen sind die höchsten. Seit Jahrzehnten war und bin auf der Suche nach den besten Medien. In Zeiten, in denen sich viele Menschen glücklich in ihrem Informationsmüll suhlen, hier ein Leitfaden, wie man sich seriös informieren kann.

Einschränkend sei hinzugefügt, dass ich bereits vor Jahrzehnten überwiegend bei englischsprachigen Medien gelandet bin, weil deutschsprachige (leider!) nur selten die Qualität der besten angelsächsischen Angebote erreichen. Fakt ist auch: Wer die beste Qualität will, muss dafür bezahlen. Meine dringende Empfehlung ist also: Wer auf exzellente Informationen wert legt, muss zumindest gut Englisch lesen können.

Vorab die Technik: Für Podcasts nutze ich die Android-App Pocket Casts, als RSS Reader verwende ich Feedly. Einfach die unten erwähnten Podcasts bzw. RSS-Feeds in diesen Apps suchen und abonnieren. Beide sind bei mir im Dauereinsatz. Oft benutze ich auch den Kindle (Paperwhite & Apps). Als Geräte im Einsatz sind derzeit ein Nexus 6P für unterwegs sowie ein Samsung Tab S2 für daheim.

Die Grundversorgung

Völlig unverzichtbar für mich als intellektuelle Grundversorgung ist die New York Review of Books. Seit ziemlich genau zwanzig Jahren lese ich jede Ausgabe. Geboten wird einerseits bester Journalismus zu (welt)politischen Themen, oft als Kombination von Reportage & Analyse, so dass es kein wichtiges Thema gibt, über das man nicht regelmäßig auf höchstem Niveau informiert wird. Gleichzeitig gibt es ein weites Spektrum an Artikeln über kulturelle und wissenschaftliche Themen: Von der Kunstgeschichte bis zur Physik. Herausragend auch die vielen historischen Aufsätze, von der Antike bis in die Gegenwart. Die Autoren zählen alle zu den besten ihres Faches. Die Artikel sind sehr ausführlich und meist hervorragend geschrieben – das Gegenteil des allgegenwärtigen Häppchenjournalismus. Ich beziehe ein Printabonnement, lese die Artikel inzwischen aber auch oft online im Web, was im Abo inkludiert ist. In dem hypothetischen Szenario, dass ich mich auf ein einziges Medium beschränken müsste, wäre das zweifellos die NYRB.

Der zweite Grundpfeiler ist The Economist, den ich ausschließlich digital rezipiere. Die Korrespondenten und Journalisten gehören weltweit zu den besten ihrer Zunft. Nicht wenige sind im klassischen Sinne gebildet und deshalb in der Lage, ihre Themen (kultur)historisch überzeugend einzuordnen. Einzigartig ist die umfangreiche Auslandsberichterstattung. Keine aktuelles Medium bietet mehr Informationen über mehr Länder dieser Erde, von Afrika bis Zentralasien. Sehr gut ist auch die Wissenschafts- und Technologieberichterstattung sowie die ausführlichen Hintergrundberichte (Briefings) in jeder Ausgabe zu einem breiten Themenspektrum. Die Blattlinie ist im besten Sinne (Menschenrechte, Fokus auf individuelle Freiheit) liberal. Weniger sympathisch ist mir die Verteidigung der Finanzindustrie und die teilweise neoliberalen Positionen. Aber der Dogmatismus hält sich auch hier in Grenzen, wie etwa das regelmäßige Eintreten für einen Mindestlohn oder für Globalisierungsverlierer zeigt.

Erwähnenswert ist, dass die App eine Audio-Ausgabe inkludiert: Alle Artikel werden von guten britischen Sprechern gelesen, so dass man sie auch unterwegs anhören kann. Abgerundet wird das Angebot von Economist Espresso (Android App). Hier bekommt man einen – angesichts der Kürze – sehr gut gemachten Tagesausblick sowie einen Rückblick auf den Vortag. Auch mit dem Podcast Economist Radio macht man als Ergänzung nichts falsch.

Der günstigste Weg den Economist zu lesen ist übrigens über das Kindle-Abo. Für 10 Euro im Monat bekommt man alle Ausgaben. Nachteil: Der unbegrenzte Zugang zur Webausgabe (und damit zum Archiv) ist nicht inkludiert. Ebensowenig die sehr praktische Audioversion und der Espresso.


Tagesaktuelles

Von Fernsehnachrichten bin ich seit längerem völlig abgekommen. Falls doch einmal, dann bevorzuge ich Euronews. Klassische Hauptnachrichtenquelle für mich ist der Deutschlandfunk, sowohl die Nachrichten als auch die Informationssendungen. Alles höre ich überwiegend zeitversetzt als Podcast, manchmal auch klassisch als Internetradio. Ich empfehle hier als Podcasts die Informationssendungen des Deutschlandfunk Informationen am Morgen, Informationen am Mittag, Informationen am Abend und BBC World Service Global News. Auf die tägliche Sendung Deutschlandfunk Hintergrund sei ebenfalls hingewiesen.

Statt traditionelles Fernsehen empfehle ich die You Tube Channels von Reuters, Al Jazeera, Vice News sowie (mit einigen Vorbehalten bezüglich der Themenauswahl) die amerikanischen Young Turks. Letztere als Gegenpol zu den amerikanischen Mainstream-Medien.

Für aktuelle Technik-News bevorzuge ich den heise Newsticker als RSS.

Exzellente Kultur-Nachrichten bekommt man bei diesen Podcasts: Ö1 Kultur (Österreich und Wien), Deutschlandfunk Kultur heute, Deutschlandradio Kultur Kulturnachrichten und Deutschlandradio Kultur Fazit.

Aus Zeitgründen nicht täglich, aber doch oft lese ich ausgewählt die New York Times, überwiegend via Tablet App. Nachdem ich ein Probeangebot kündigen wollte, zahle ich derzeit nur 6 Euro pro Monat statt des Listenpreises von 30 Euro pro Monat. Ein gutes Investment.

Für die Österreichberichterstattung bevorzuge ich Die Presse als RSS-Feed bzw. seltener auch die App.

Folgende RSS-Feeds nutze ich in Feedly:
Politik: Reuters Top News, DiePresse.com, FAZ Ausland, wien.orf.at
Kultur: Die ZEIT Kultur, Standard.at Kultur, DiePresse.com Kultur, FAZ Feuilleton

Zur Abrundung und als Gegenpol zu den traditionellen Medien schließlich verwende ich Reddit, eine unter Nerds legendäre Crowdsourcing-Newsseite. Jeder kann dort anonym Links posten, die von allen bewertet werden. Je höher die Wertung, desto besser das Ranking. Was Nachrichten angeht, empfehle ich hier die Wordnews. Man muss dabei allerdings seinen Verstand einschalten, weil darunter auch fragwürdige Quellen auftauchen können.

Wöchentliches

Über die Wochenzeitschrift The Economist ist bereits alles gesagt. Bleibt noch die Wiener Stadtzeitung Falter, den ich als Printabo beziehe. Einerseits wegen der Wienberichterstattung (Kultur!), aber auch um in Sachen österreichischer Politik auf dem Laufenden zu bleiben. Der Falter bietet in Österreich die wohl beste journalistische Qualität, was Recherchehandwerk und Themenauswahl angeht.

Hörenswerte wöchentliche Podcasts sind alle des The Economist Radio.

Hintergründiges und Spezielles

Nach Themen, welche mich interessieren, durchforste ich etwa zwei Mal im Monat die New York Times, speziell die Sektionen Books, Science und Technology.

Im Kindle-Abo lese ich ferner die amerikanische Monatszeitschrift The Atlantic. Weltklasse-Journalismus bieten hier regelmäßig die monatlichen Features, an denen man ab und an mehrere Stunden liest.

Für Technik-Themen schließlich lese ich seit mindestens 25 Jahren im Printabo die c’t, ergänzt durch den Podcast c’t Uplink.

Über Neuigkeiten in der Wissenschaft informiere ich mich – neben The Economist und New York Review of Books – über folgende Podcasts: Deutschlandfunk – Aus Kultur und Sozialwissenschaften, BBC Inside Sciene, Deutschlandfunk – Forschung aktuell, Deutschland – Wissenschaft im Brennpunkt und Ö1 Wissen.

Viele der erwähnten Medien informieren auch über Buch-Neuerscheinungen. Zusätzlich verwende ich hier den Perlentaucher, hier wieder gerne den Newsletter Bücher des Monats. Eine gute Anlaufstelle dafür ist auch Literaturkritik.de, besonders auch der praktische Newsletter.
Als Podcast höre ich schließlich ausgewählte Rezensionen der täglichen Deutschlandfunk-Sendung Büchermarkt sowie fast immer zeitversetzt das Buch der Woche, wo jeden Sonntag im Büchermarkt eine einzige wichtige Neuerscheinung vorgestellt wird. Abonniert habe ich ferner die Podcasts SWR 2 Literatur, Deutschlandradio Kultur Buchkritik und WDR 2 Bücher. Hörenswert ist auch der Inside The New York Times Book Review.

Podcasts, die sich auf hohem Niveau mit unterschiedlichen Themen beschäftigen sind: Intelligence Squared, Guardian Audio Long Reads, Bayern 2 radio Wissen und BBC 4 In Our Time.

Abschließend möchte ich noch an einen alten Bekannten erinnern, den ich sehr intensiv nutze, nämlich die Google Alerts, von denen ich knapp hundert aktive habe. Die meisten sind auf wöchentlich eingestellt, es gibt aber auch eine Reihe von täglichen Alerts, etwa Österreich, Austria, Wien und Vienna. Die Alerts lese und manage ich über die Google Inbox App.

4 Gedanken zu „Wie kann man sich seriös informieren?

  1. schön im Mainstream verhaftet.Ich kenne Sie erst seit heute.Ich wurde vom Trollmechanismus auf Twitter zu Ihnen gespühlt..“Rudolph Freshokowski“ ist ein account auf dem ich lauere…bin selbst nicht bei den Vögeln.Ach ,bitte verzeihen Sie mir meine zahlreichen Rechtschreibfehler.Ich habe mich 12 Jahre zur Matura gequält um rechtzeitig zur Matura mit der Rechtschreibreform belohnt zu werden.Ab da hatte ich keine Chance und auch keine Lust mehr.

    Daniele Ganser empfiehlt in seinem Vortrag zur Medienkompetenz(nein ,solch eine brauchen Sie nicht mehr erwerben,die haben Sie schon..) eine Woche gepflegten Mainstream zu lesen und eine andere Woche Nicht -Mainstream zu konsumieren.Die Ergebnisse zu gleichen Themen können kaum weiter auseinander sein und gut so denn dies erweitert den Horizont.Mir geht der Nicht-mainstream ein bischen ab bei Ihnen! Haben sie das Assad Interview in voller länge gesehen ? Es war auf RT und sonst glaub ich nirgendwo.Ein Propagandasender zweifellos aber wenn er nicht über russische Themen berichtet hat er uns Mitteleuropäern schon gute Dienste erwiesen.
    Liebe Grüße von einer anonymen Igelin

  2. Ich habe einige Sympathien für den Economist, aber auch den Eindruck, dass dort nicht selten eine gewisse Ungenauigkeit hinter rhetorischer Pose versteckt wird. Dazu trägt der meist elegante, trockene Blattstil bei. Dieser in Oxford geschulte Stil einer demonstrativen Selbstsicherheit verdeckt, dass manche Analysen (die das „original reporting“ ja weit überwiegen) so glasklar nicht sind, wie sie erscheinen sollen. So fällt bei Berichten aus dem deutschsprachigen Raum doch auf, dass das Niveau der Analyse oft grade mal den oberflächlichen Konsens der großen deutschsprachigen Blätter abbildet. Wenn es sachlich ins Detail oder an Prognosen geht, ist auch einiges im Argen.

    Für Zentralasien, Afrika, Mittel- und Südamerika, die in deutschprachiger Presse wenig vorkommen, ist das alles natürlich immer noch besser als nichts, aber nicht über Kritik erhaben.

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