Joseph Roth

Das Spinnennetz. Roman (Insel TB)

Joseph Roth zählt zu meinen Lieblingsautoren und sein Radetzkymarsch zu meinen bevorzugten Romanen. Seltsam also, dass ich einige Romane von ihm noch gar nicht kenne bzw. deren Lektüre schon eine Ewigkeit zurück liegt. Deshalb will ich im Laufe des Jahres alle Romane Roths chronologisch lesen.

Auftakt war „Das Spinnennetz“ aus dem Jahr 1923. Leider blieb es Fragment, aber trotzdem ist es ein furioses Stück Literatur. Roth versucht die politischen Umtriebe der Rechten nach dem ersten Weltkrieg zu gestalten. Freikorps, Aufstieg der NSDAP, Verschwörungen und Putschversuche. Er wählt dazu Theodor Lohse, einen ebenso verkorksten wie ehrgeizigen Charakter, der in diesem Umfeld Karriere macht. Parallelen zu Adolf Hitler liegen auf der Hand, der auch einmal namentlich erwähnt wird. Veröffentlicht 1923 wohlgemerkt, was Roth einen bestürzenden Weitblick bescheinigt.

Es wäre aber falsch, das Buch nur wegen der klinisch-psychologischen Analyse eines politischen Phänomens zu preisen. In erster Linie schreibt Roth großartige Literatur. Die Innenwelt des traurigen Lohse spiegelt sich in der Sprache. Dem hektischen Ehrgeiz korrespondieren die kurzatmigen Beschreibungen und Aufzählungen. Roth rückt seinen Protagonisten mit einer personalen Erzählperspektive und erlebter Rede so nah an den Leser heran, dass es fast schon unangenehm wirkt.

Ein ausgesprochen gelungener Auftakt meines Joseph-Roth-Projekts.

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