Reise-Notizen Israel (3): Das Land der Klagemauer

Wie nimmt man den Nachwuchs als religiöses Vollmitglied auf? Die jungen Katholiken erhalten von ihrem Bischof eine symbolische Ohrfeige, damit kein Zweifel über die Autoritätsverhältnisse besteht. Eine Bar Mizwa dagegen läuft dagegen als fröhliches Fest ab. Ich hatte in Jerusalem die Gelegenheit, zwei dieser Initiationsriten an der Klagemauer zu beobachten. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen. Der Junge wurde lachend von Verwandten auf den Schultern getragen. Andere ließen Süßigkeiten auf die Feiernden herabregnen. Ein erfrischender Kontrast zum verklemmten katholischen Ritual.

Auch sonst war der Betrieb an der Klagemauer beeindruckend. Viele Juden in diversen orthodoxen Trachten gingen ihren religiösen Pflichten nach, während im Hintergrund nicht nur die erwähnte Bar Mizwa ihren Lauf nahm. Männer sind, wie in den meisten Synagogen, von den Frauen getrennt, hier konkret durch eine im rechten Winkel verlaufende Wand. Wer die patriachalischen Tendenzen der monotheistischen Religionen kennt, wird nicht überrascht sein, dass den Frauen deutlich weniger Platz zugestanden wird. Über der Klagemauer erhebt sich der Tempelberg. Ein Schild des Rabbinats beim Aufgang weist darauf hin, dass es für Juden verboten ist, den Berg zu betreten.

Der Synagogenbau ist sehr vielfältig (inklusive Innenausstattungen) und in der Jerusalemer Altstadt sind höchst unterschiedliche Formen zu besichtigen. Im Israel Museum in Jerusalem sind zusätzlich noch drei historisch rekonstruierte zu sehen (Indien, Italien, Bayern).

Bei einer Reise quer durch Israel wird schnell deutlich, dass Religion im Alltag eine zentrale Rolle spielt. Mag auch die große Mehrheit der Israeli säkular sein, und die konservativen und gar orthodoxen Juden eine kleine Minderheit darstellen, scheint es doch einen Konsens über die Einhaltung der kulturellen Spielregeln zu geben. So ist mir in den knapp zwei Wochen nur koscheres Essen begegnet (in den Hotels, in den Supermärkten), sogar Chipspackungen werden mit den entsprechenden Referenzen versehen. Hotels betreiben am Sabbath sogenannte Sabbathaufzüge. Diese laufen dann wie eine Art Paternoster und bleiben auf jedem Stockwerk automatisch stehen. Der Strenggläubige darf ja nicht arbeiten, und damit wird er dem Drücken der Liftknöpfe enthoben.

Wer Wert darauf legt, säkular zu leben, ohne ständig von religiösen Ritualen belästigt zu werden, sollte Israel nicht zu seinem Wohnort wählen.

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